Workshop der Kolleg-Forschergruppe BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik mit Dario Gamboni (Genf).
Berlin, 22. Januar 2013
Das Sammler- und Künstlermuseum ist als hybrider Ort der Erfahrung eng verknüpft mit der Problematik visueller Evidenzerzeugung. An der Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, Kunst und Alltag, Gedächtnis und Vergegenwärtigung, Dislozierung und Neukontextualisierung werden u. a. Fragen nach dem Status der Artefakte im Spannungsraum zwischen individuellem Arrangement und historischer Rekonstruktion akut.
Ausgangspunkt des Vortrags von Dario Gamboni bildete die Prämisse einer Dynamisierung und Pluralisierung der Relation von Werk und Ort um 1800, infolge derer das Museum durch die Dekontextualisierung und Fragmentarisierung der Kunstwerke als Ort der Petrifizierung zunehmend in die Kritik geriet. Vor diesem Hintergrund beleuchtete Dario Gamboni anhand prominenter Figuren wie Edmond de Goncourt, Sterling Clark und Isabella Stewart Gardner die Herausbildung neuer Strategien des Sammelns im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der drohenden Fossilisierung der dislozierten Artefakte hatten diese Sammler die individuelle Auswahl und Zusammenstellung als Verfahren der Verlebendigung entgegengesetzt, deren eingeschränkte Veränderbarkeit und Vermittlung Herausforderungen gerade für die heutige kuratorische Praxis darstellen.
Die von Gamboni untersuchten collector’s museums, in denen sich Öffentliches und Privates, Gebrauchsgegenstände und Kunstobjekte durch raffinierte Neukontextualisierung wechselseitig durchdringen, lassen nicht nur die Frage nach den Grenzen von Kunst, Künstler, Kurator, Ort und Gedächtnis akut werden. In der intendierten Überkomplexität des engmaschigen Netzes von örtlichen und personalen Verknüpfungen offenbart sich mit der intentionalen Überforderung des Betrachters eine Legitimationsstrategie, die als spezifische Form der Evidenzerzeugung von Sammlermuseen beschrieben werden kann.
Diskutiert wurde folglich insbesondere die Frage, ob angesichts der Mythogenese, die das collector’s museum aufgrund seines stratigraphischen Übereinanders von Ort, Werk und Erinnerung auszeichnet, die Wahrnehmung von Kunst als Kunst oder nicht vielmehr die Zeugenschaft einer gewesenen Präsenz des Sammlers im Vordergrund steht. Damit regte der Workshop durch ein breites Spektrum rezeptionsästhetischer, anthropologischer, sozialgeschichtlicher und geographischer Fragestellungen in Bezug auf Objekt und Display, künstlerische und kuratorische Verfahrensweisen eine Diskussion über die Bedeutung von Evidenz an, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Sammlung und ihrer Präsentationsform mit dieser durch die Zeit ebenfalls wandelbar bleibt.
Henrike Eibelshäuser/Dennis Jelonnek