„Inseln der BildEvidenz. Die Sonneninsel am Seddinsee 1935-44“

Workshop der Kolleg-Forschergruppe BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik mit Thomas Elsaesser (Amsterdam).

Berlin, 14. Mai 2013

Anhand von Photos, Gedichten, Postkarten und Schmalfilmen rekonstruierte Thomas Elsässer seine eigene mythische Familiengeschichte, in der die Sonneninsel nahe Berlin als Handlungsträger einer utopischen Reformbewegung figuriert und deren Ausgangspunkt der Großvater Martin Elsässer sowie die Liebesgeschichte zwischen dessen Frau und dem Reformer Leberecht Migge bilden. Durch einen Zufallsfund kam Thomas Elsässer in den Besitz eines Briefwechsels der beiden, aus dem einige Hintergrunddetails zur Konzeption der Sonneninsel hervorgehen.

Elsässer wählte unter Rekurs auf W. G. Sebald und Harun Farocki eine dezidiert deskriptive Vorgehensweise, die gerade die kontingente Handlungsmacht des Zufalls hervorheben sollte, die u.a. aus den sich überlagernden Liebesgeschichten der Inselbewohner erwachsen. Der Plan einer Ausstellung diente dabei als Ordnungsgerüst für das äußerst heterogene Material. Dazu zählen auch die von Elsässer ausgewerteten „Inselfilme“, die zwischen nostalgischem Erinnerungs- und dokumentarischem Wert oszillieren, da sie die Rekonstruktion der Nachhaltigkeitsbestrebungen auf der Insel erlauben. Dabei lassen die gesuchten Kameraeinstellungen die Frage virulent werden, ob es sich bei dem Filmmaterial in erster Linie um künstlerische Experimente handelt, oder ob den Filmaufnahmen dokumentarisches Evidenzpotential innewohnt.

Insbesondere richtete Elsässer sein Augenmerk auf das Verknüpfungspotential des Forschungsprojekts. Welche Handlungsmacht kommt dem Film- und Photomaterial zu? Die Prinzipien Kontingenz und Kontiguität sollen helfen, nicht nur einen, sondern diverse sich überschneidende Fluchtpunkte in den Fokus zu nehmen um von einem überkommenen teleologischen Geschichtsbild ebenso abzurücken wie von der Idee der Zäsur von 1945.

Für die Diskussion wurde einerseits die methodische Problematik der Grenzziehung und der Selbstregulation in Bezug auf die Vielzahl an Verbindungen relevant, die sich aus der Recherche ergeben, aber notwendigerweise selektiert werden müssen. Zum anderen wurde das widersprüchliche Verhältnis von propagiertem Zufallsprinzip und dem zwangsläufig limitierten Ausstellungsdisplay sowie dem Evidenzanspruch des Materials verhandelt.

Henrike Eibelshäuser

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